05-Der einsame Baum by Stephen R. Donaldson

05-Der einsame Baum by Stephen R. Donaldson

Autor:Stephen R. Donaldson
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 3426701189
Herausgeber: Droemer Knaur Verlag
veröffentlicht: 2011-05-21T00:21:38+00:00


15

»RÜHR MICH NICHT AN!«

Thomas Covenant sah alles. Er hörte alles. Von dem Augenblick an, als die Elohim ihm das Geschenk Caer-Caverals erschlossen, den Standort des Einholzbaums, hatten alle seine Sinne normal funktioniert. Doch er war danach innerlich so leer zurückgeblieben wie eine steinerne Tafel, von der man sämtliche Gebote ausgemerzt hatte. Was er sah und hörte, besaß für ihn ganz einfach keine Bedeutung. Das Bindeglied zwischen den äußeren Vorgängen und ihrem Eindruck auf ihn, zwischen Wahrnehmung und Interpretation, war durchtrennt oder blockiert worden. Nichts ging ihn noch etwas an.

Die sonderbaren Selbstwidersprüche der Elohim hatten ihn überhaupt nicht interessiert. Der Sturm, der fast zum Untergang der Sternfahrers Schatz geführt hatte, war für ihn belanglos gewesen. Die Gefährdungen seines Lebens – und die Anstrengungen von Menschen wie Brinn, Seeträumer und Linden, um ihn zu retten – waren an ihm vorübergezogen wie Laute einer fremden Sprache. Er hatte alles mitangesehen. Vielleicht hatte er es auf irgendeiner Ebene sogar verstanden, denn ihm fehlte selbst die Eigenschaft der Verständnislosigkeit. Nichts von allem, was rund um ihn geschah, besaß für ihn auch nur ansatzweise einen Sinn. Er atmete, wenn es notwendig war, Atem zu holen. Er schluckte Nahrung, wenn man ihm welche in den Mund schob. Ab und zu blinzelte er, um seine Augen zu befeuchten. Aber auch diese Reflexe waren für ihn nicht wichtig. Bisweilen stieg in ihm ein Unbehagen auf, verschwommen wie Nebel; aber sobald er seinen Kehrreim aussprach, verschwand es. Diese drei Wörtlein waren alles, was noch von seiner Seele existierte.

So verfolgte er Kasreyns Versuche mit, ihn zu vereinnahmen, in so vollständiger Distanziertheit, als wäre er aus Stein geschaffen. Die hungrige Suggestivkraft, die durchs glasfreie Monokel des Wesirs lohte, übte auf ihn keine Wirkung aus. Er bestand nicht mehr aus Fleisch, das zu irgend etwas bewogen werden konnte. Und auch die Weise, wie seine Begleiter ihn dem Anspruch des Wesirs entzogen, sank in seine innerliche Leere und verschwand, ohne irgend etwas zu hinterlassen. Als Kasreyn, Rant Absolain und der Hofstaat aus dem Rund der Hoheit ihrer getrennten Wege gegangen waren, hatte sich in Covenant nichts verändert.

Aber er sah alles. Er hörte alles. Seine Sinne funktionierten normal. Er bemerkte den beifälligen Blick, den Findail ihm zuwarf, als zöge der Ernannte einen Vergleich zwischen Covenants von den Elohim beigebrachter Aushöhlung und der Gier des Wesirs. Und er sah die Röte der Scham und Bestürzung in Lindens Gesicht, als Kasreyns Wille seine Macht über sie verlor. An ihrem Hals traten Stränge hervor, als sie krampfhaft einen unwillkürlichen Aufschrei unterdrückte. Sie fürchtete Besessenheit mehr als alles andere – und war Kasreyns Gewalt so leicht verfallen, als besäße sie keinerlei eigenen Geist. »Herrgott!« fauchte, knirschte sie durch die Zähne. Doch ihr von Furcht und Wut erfüllter Blick galt Rire Grist; die Verwirrung der anderen Gefährten beachtete sie nicht. Ihre mühsam bewahrte Fassung verriet deutlich, daß sie dem Caitiffin mißtraute. Der Anblick ihrer Aufgewühltheit weckte von neuem Covenants latentes Unbehagen; aber er sprach seine drei Wörter aus, und sie enthoben ihn aller Sorgen.

Er hörte, wie die Erste sich mühsam mäßigte, als sie dem Caitiffin antwortete.



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